Hella Jongerius legt sich keineswegs auf eine bestimmte Farbgebung fest. Nicht umsonst ist der Titel ihrer ersten Veröffentlichung vom April 2016 ein echtes Statement: I DON’T HAVE A FAVOURITE COLOUR. Geboren wurde die Industrie-Designerin im kleinen De Meern, in der niederländischen Utrecht.

Farben – Stoffe – Forschung – die Welt von Hella Jongerius – Portrait Hella Jongerius (c) vitra
Nach ihrer abgeschlossenen Tischlerlehre an der Design Academy Eindhoven, gründete sie noch im selben Jahr ihre erste, eigene Firma: Jongeriuslab. Neben dem Standort Rotterdam ist mittlerweile auch Berlin zu ihrer Wohn- und Arbeitsstätte geworden, wo sie bis 2015 als Dozentin an der Kunsthochschule Weißensee unterrichtete.
Zwischen IKEA und MoMa – die Vita von Hella Jongerius
Zu Jongerius Portfolio gehören Arbeiten für Nymphenburger Porzellan, den Kristall-Hersteller Svarowski und zahlreiche Stücke, darunter Sofas, Sessel und Vasen, für Vitra. Ihre wichtigsten Designs wurden unter anderem im MoMa in New York, dem Stedelijk Museum, Amsterdam, und dem Design Museum in London ausgestellt.

Hang it all Panton Junior Omar the Owl (c) vitra
Trotz ihres Ruhms ist die Designerin einer Zusammenarbeit mit der Massenproduktionen nicht abgeneigt und designte vor diesem Hintergrund auch schon für das bekannte schwedische Möbelhaus IKEA.
In einem Interview mit der Neuen Züricher Zeitung, im Mai 2013, bekundet Jongerius Interesse an dem spannenden Kontrast zwischen hohen Stückzahlen und ihrer Handschrift als Designerin und spricht sich für eine demokratische Preispolitik im Möbeldesign aus.
Das Polder Sofa und die Zusammenarbeit mit Vitra
Ein Polder bezeichnet im niederländischen Sprachgebrauch ein niedrig gelegenes eingedeichtes Gelände nahe Flüssen oder Meeren. Der Wasserspiegel liegt bei Poldern dauerhaft über Bodenniveau. Ebenso tief gelegen, horizontal betont und flach erstreckt sich das Polder Sofa im Raum und wird damit zu einer humorvollen Anlehnung an die typisch Landschaft in der Heimat von Hella Jongerius. In der asymmetrischen Form und den vier verschiedenen, wählbaren Farbkombinationen der Polsterung wird die detailverliebtheit der Designerin deutlich.

Farben – Stoffe – Forschung – die Welt von Hella Jongerius – Polder Sofa Farben (c) vitra
Polder war das erste Möbelstück, das in Zusammenarbeit mit Vitra entstanden ist. Daraufhin folgten weitere erfolgreiche Stücke wie der robuste Stoffhocker Bovist, das verspielte Elephant Pad oder der East River Chair. Das Polder Sofa ist bis heute ein „moderner Klassiker“ und gehört neben ihrem Waschbecken „Pushed Washtub“ aus Polyurethan zu Jongerius weltweit bekanntesten Designs.
Hella Jongerius – niederländische Farbexpertin
Die Niederländerin gehört mittlerweile zu den bekanntesten Designerinnen weltweit und gilt als unangefochtene Expertin für Farben und zeitgemäße Nuancen. Kaum jemand versteht es Farben, mitsamt ihrer Mischverhältnisse und Substanz zu durchschauen und sie vor diesem Hintergrund zu einem relevanten Forschungsfeld zu erklären.
Jongerius macht in ihren Untersuchungen auf die industrielle Beschränktheit von Farben aufmerksam und zeigt dieser durch ihre Feldarbeit auf, welche Pigmente möglich, allerdings noch wenig verbreitet sind.

Hang it all (c) vitra
Die Fragen die sich die Designerin in diesem Kontext stellt, sind eine erfrischende Perspektive zu den wirtschaftlichen Interessen von Farbforschungen in der Industrie.
- Welche Farbkombinationen schaffen neue, zukunftsträchtige Richtlinien?
- Wie verhalten sich Oberflächen bei unterschiedlicher Farbgebung?
- In welchem Zusammenhang stehen Farben im Raum?
- Welche Rolle spielt der Lichteinfall in Abhängigkeit unterschiedlicher Tageszeiten?
Dabei verliert Jongerius trotz Innovation nicht den Bezug zur Tradition und kombiniert hochentwickelte Technologien mit einfachen handwerklichen Arbeiten. Ihre Erkenntnisse speichert Jongerius in ihrer systematischen Farbbibliothek ab und ordnet sie nach Produktgruppen.
Aus Alt mach Neu: Vitras neue Farbpalette
Zusammen mit Vitra arbeitet Jongerius engagiert als Art-Director für Farben und Oberflächen und entwickelte vor diesem Hintergrund die Hopsak-Farbpalette, die für die Eames Möbel der Aluminium Group, die Organic Chairs und Plastic Chairs gilt.

Daylight Wheel, Hella Jongerius (c) vitra
Neben gedeckten Tönen wie Kastanie, Elfenbein oder Moorbraun, finden sich auch knallige Töne wie Lindgrün oder Koralle wieder. Die Palette wurde auf insgesamt 28 Farben ausgeweitet, worunter sich 26 Duoton-Stoffe befinden.
Fünf übersetzte Thesen aus Hella Jongerius Manifest „Beyond the New“
- Schätze die Vorteile von industrieller Herstellungsverfahren gegenüber Produktionen in kleineren Stückzahlen. Nicht nur der Markt ist deutlich größer, auch die Qualität der Produkte und die Vielzahl an potentiellen Käufern entziehen sich einer künstlichen Limitation.
- Einen Design-Prozess mit einem leeren Blatt Papier zu beginnen ist absurd und arrogant. Kulturelles und historisches Bewusstsein sind mit jedem wertvollen Produkt verwoben. Ansonsten erschafft der Designer das Produkt lediglich sich selbst zu liebe – verglichen mit einer leeren Hülle, die sich selbst mit Bedeutung füllen muss. Es gibt einen Wert in Wiederholung von Bestehendem, Forschung in den Archiven und den Klassikern. In den bestehenden Materialien, Farben, Funktionen und Formen steckt bis heute ein starkes, ungenutztes Potential.
- Design dreht sich nicht nur um das Produkt – es geht besonders um Beziehungen. Gutes Design kann für uns unsichtbare Bedeutungsebenen der Kommunikation aufzeigen.
- Design ist nicht gleich Kunst! Gute Ideen im Design benötigen den „Entfaltungsraum Museum“, wo sie als experimentelle Blickfänger ausgestellt werden. Nur dann erreichen Sie eine Bedeutung für die alltäglichen Gegenstände der Welt und erreichen eine größeren Teil der Öffentlichkeit.
- Kenne die Unternehmen die deine Moral und ästhetischen Ansprüche teilen. Kenne die anderen auch.
Weiterführende Links zu Hella Jongerius und ihren Arbeiten:
- Die Hopsak Farben im Überblick im PDF-Format bei Designikonen
- Hella Jongerius im Interview mit Die Presse.de
- „Beyond the New“ in der Online-Version auf der offiziellen Seite des Jongeriuslab
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